Die ungarische Küche

Die Kochtechnik der ungarischen Küche unterscheidet sich dem Anschein nach kaum von der Art der Zubereitung bei anderen Völkern. Die Speisen werden in den Küchen fast aller Länder durch Kochen, Dünsten oder Braten zubereitet, und das geschieht im wesentlichen überall auf dieselbe Weise.Vergleicht man aber unsere Speisen mit denen anderer Völker, so wird man feststellen, daß unsere Zubereitung doch wohl ganz anders sein muß als anderswo. Wir kommen der Wahrheit nahe, wenn wir behaupten, daß die ungarische Küche ihren guten Ruf eben jener eigenständigen Zubereitungsweise verdankt, durch die sie sich von der Küche anderer Völker unterscheidet.Die ungarische Küche brät und kocht mit Schweinefett, sieverwendet Butter nur selten zum Kochen (meistens nur für Krankenkost)und Speiseöl überhaupt nie oder bloß ausnahmsweise zum Braten einiger Fischgerichte. Die erste und wichtigste Zutat für ein ungarisches Gericht ist das ausgelassene(nicht ausgepreßte) Schweinefett, das Schweineschmalz.Ein Großteil unserer Speisen wird mit Mehlschwitze gebunden und abgeschmeckt, die aus erhitztem Schweineschmalz und kleberreichem inländischem Mehl gemacht wird. Der beim Bräunen der Mehlschwitze entstehende Bratsatz verleiht bei Hinzufügung entsprechender Gewürze und anderer Zutaten (Zwiebel, Knoblauch, Dill, Petersilie usw.) unseren Speisen ihren „ungarischen" Geschmack (knuspriger Ferkelbraten,Tordaer Räuberbraten, verschiedene Arten von„Pörkelt", mit der Haut gebratener Schweinebraten).Ein zweiter eigenartiger Zug der ungarischen Küchentechnik ergibt sich aus dem stärkeren Würzen der Speisen. Besonders die Anwendung des Paprikas sichert einem großen Teil unserer Gerichte den ungarischen Charakter. Sie werden zwar oft übermäßig mit Paprika bedacht, doch vermögen die scharfe Gulaschsuppe, das sehr würzige Pörkelt oder das„Haläszl" (Fischsuppe) genannte Gericht als alleinstehende und in jeder Hinsicht „ungarische" Spezialitäten in der Konkurrenz gegenüber allen anderen Gerichten der Welt ihren Rang zu wahren . Bezeichnend für die ungarische Art des Kochens ist auch die überdurchschnittliche Verwendung von saurer Sahne. Wir haben viele Gerichte, deren wichtigster Bestandteil die leicht säuerliche Sahne mit hohem Fettgehalt ist. Der größte Teil unserer Suppen, Soßen, Gemüse- wie auch Fleischgerichte ist ohne saure Sahne unvorstellbar. Überdies verwenden wir die saure Sahne zur Zubereitung sehr vieler Mehlspeisen und begießen manche Gerichte erst vor dem Auftragen mit frischer saurer Sahne (Szeklergulasch, Quarkklöße, Gurkensalat usw.).Eine individuelle Eigenschaft der ungarischen Küche ist auch die mannigfaltige Geschmackskombination. Es genügt, hier bloß auf das Siebenbürgische gefüllte Kraut hinzuweisen,bei dem sich Geschmack und Düfte der mäßig gewürzten Füllung, der geräucherten Wurst, des mitgekochten Rauchfleisches, des knusprig gebratenen Specks und des mit saurer Sahne reichlich begossenen, leicht säuerlichen Krauts glücklich vereinen.Sehr bezeichnend für die ungarische Kochtechnik sind auch die vom Gewohnten abweichenden Zubereitungsarten. Man denke nur an den Lammkopf mit Estragon oder an den sogenannten Prügelkrapfen. Die ungarischen Gerichte wirken überdies durch originelles und einfallsreiches Anrichten. Die ungarische Kochtechnik erreichte ferner ihren hohen Rang und die ihr entgegengebrachte Wertschätzung durch den Abwechslungsreichtum ihrer warmen, gekochten oder gebackenen Mehlspeisen und deren vorzügliche Zubereitung. Ungarische Köche, Köchinnen und Hausfrauen bereichern unsere Kochtechnik stets durch neue Einfälle und beachtenswerte neue Verfahren, wodurch unsere Kochkunst viel an Originalität gewinnt.Der heutige Entwicklungsstand der ungarischen Küchentechnik wurde durch die besondere Beschaffenheit und reiche Auswahl inländischer Rohprodukte, durch die Schmackhaftigkeit unserer Gemüsesorten, ferner durch den Reichtum des Landes an Mastochsen, Schweinen, Geflügel und Süßwasserfischen ermöglicht. Auch der Sinn der Ungarn für die Freuden einer gut bestellten Tafel und ihre diesbezüglichen Ansprüche wirkten fördernd. Diese Gegebenheiten veranlaßten die Jünger der ungarischen Kochkunst, immer wieder neue Arten der Speisezubereitung zu erfinden und die Auswahl der Speisen zu vermehren. Die Grundlage unserer geschmorten und mit Paprika gewürzten Gerichte ist die in ausgelassenem Schweineschmalz geröstete Zwiebel, mit Gewürzpaprika vermengt. Zu diesem Zweck ist Schweineschmalz am besten geeignet, da es beim Bräunen und bei entsprechender Erhitzung die ätherischen Öle der Zwiebel am meisten zur Geltung bringt. In Öl oder Butter geröstet, schmeckt die Zwiebel nicht so gut und verleiht dem Schmorfleisch oder Paprikagericht keine so schöne Farbe, die Speisen bleiben in diesem Fall blaß. Das ist ein Grund dafür, daß Völker, die mit Öl, Margarine oder Butter kochen, kaum Gewürzpaprika benützen. Die ungarische Küche läßt die Zwiebeln stets in Fett dunsten, mehr oder weniger rösten oder - das kommt auf die betreffende Speise anbraten, wodurch unsere Gerichte eine reiche Skala des Wohlgeschmacks entwickeln. Dasselbe läßt sich von einem anderen wichtigen Arbeitsgang unserer Kochtechnik, der Zubereitung der Mehlschwitze sagen. Die Speisen werden mit Mehlschwitze nicht nur verdickt, man ist auch bestrebt, das Mehl als Bindemittel nicht in rohem Zustand dem Gericht beizufügen. Die Art der Mehl-schwitze kann unter Umständen den Charakter der Speise bestimmen. Es gibt ungarische Gerichte, die eine kaum gebräunte Mehlschwitze erfordern, wie z. B. die Zuckererbsensuppe, bei anderen paßt die stärker gebräunte Mehlschwitze besser zu dem Geschmack der Gerichte, die ein kräftigeres Würzen verlangen, wie bei Wirsingkohl, saurer Lunge usw. Die dem Charakter der Speise entsprechende Geschmackswirkung durch Bräunen der Mehlschwitze von hellgelb bis dunkelbraun wird dadurch erhöht, daß man die zum Gericht gehörenden Gewürze und sonstigen zum Abschmecken bestimmten Zutaten bereits vor der Bindung durch die Mehlschwitze den Speisen zufügt. Die so gebundenen und abgeschmek- kten Speisen werden jedoch nur dann vollwertig, wenn man sie genügend lange kochen läßt. Man soll aber im Gebrauch von Gewürzen immer maßvoll sein. Es wäre ein großer Irrtum zu glauben, daß nur diejenigen Gerichte „gut ungarisch" sind, in die man mit beiden Händen den allerschärfsten Paprika streut. Unsere viel Fett enthaltenden Gerichte verlangen zwar etwas mehr Gewürze, als sie im allgemeinen verwendet werden, doch soll eher die feuerrote Farbe des Paprikas zum Genuß unseres Pörkeits und anderer Paprikagerichte verlocken, der Geschmack hat kaum fühlbar scharf auf den Gaumen zu wirken. Sparsam sind auch sonstige Gewürzarten, wie z. B. Pfeffer und Majoran, zu gebrauchen, da die ungarische Kochkunst gerade durch die Harmonie der verschiedenen Geschmacksnuancen wirkt. Während die Köche anderer Länder nur scheu und vorsichtig zu den Gewürzen greifen, würzen unsere Köche die Speisen mutig und wirksam mit der wohlbemessenen Mischung von Paprika, gemahlenem Pfeffer, Majoran, Bohnenkraut, Thymian, Kümmel, Petersilie,Sellerie, Dill usw. und erzielen damit eine charakteristische Schmackhaftigkeit. Die ungarische Küche unterscheidet sich von anderen Küchen nicht nur durch die Art des Würzens, sondern auch durch die Zubereitungsweise. Als bezeichnendes Beispiel hierfür sei das Pörkelt angeführt. Das echte und gute Pörkelt wird bekanntlich immer mit ganz kurzer Brühe in zugedecktem Topf, fast nur im eigenen Saft des Fleisches geröstet (daher auch seine Benennung; das ungarische Zeitwort „pörkölni" bedeutet: brennen, sengen, rösten). Das Fleisch darf nicht in viel Saft gedünstet oder gekocht werden, da sonst gerade diejenigen Stoffe verlorengehen, die das geschmorte Fleisch zum Pörkelt machen. Es gibt noch zahlreiche ungarische Gerichte, wo die Küchentechnik durch Anbraten, Rösten, „Pörkeln" eben das Entstehen von Bratsatz bezweckt, der den Genuß der Speisen erhöht. In diesem Zusammenhang wollen wir hier bloß das braun und knusprig gebratene Spanferkel, den Tordaer Räuberbraten und den in einem Gemisch von Mehl und Paprika gewendeten und nachher in Fett knusprig gebratenen Zander erwähnen. Wie lecker und einzigartig „ungarisch" ist auch die mäßig scharfe Suppe, die man aus in geschnittenem Speck gerösteten Lebbencsen (flache, viereckige Nudeln) bereitet und mit Paprika rötlich färbt. Die bekanntesten Räucher Waren sind: Debreziner Würstchen, Gyulaer Dauerwurst(„Kolbsz") und Kolozsvärer Speck, die viel zum eigenartigen Geschmack unserer Gerichte beitragen.Das meiste und Ursprünglichste bietet unsere ungarische Küchentechnik vielleicht doch durch die häusliche Zubereitung von gekochten und gebackenen Mehlspeisen und Kuchen (zur Bezeichnung „Mehlspeise" ist zu bemerken, daß die ungarische Küche sie für vielerlei Speisen anwendet; von den aus Mehl und Eiern bereiteten gekochten oder gebackenen salzigen oder süßen Teigwaren, Kartoffelnudeln und sonstigen Nudelgerichten bis zum Strudel und allerlei Hefegebäck, Die feinen Mehlsorten aus inländischem Weizen, der reiche Geschmack der ungarischen Obstsorten, die Qualität der Butter und sonstiger Zutaten bieten hierzu bloß die Möglichkeiten; das Geheimnis der Erfolge liegt im Eifer der Köche und Hausfrauen, die stets das Neue suchen, gute Einfälle haben und die große Auswahl ungarischer Mehlspeisen fortwährend bereichern. Wer könnte alle Sorten von ungarischen Mehlspeisen, Kuchen, Plätzchen usw. - vom mürben Rosinenmilchbrot bis zum „Vargables" (eine Art gelegter Nudeln), vom „Spritzpfannkuchen" bis zum „Prügelkrapfen", von den geklopften Brezeln bis zum knusprigen gemischten Strudel - aufzählen, die alle Leckerbissen sind und den würdigen Abschluß der Mahlzeiten bilden.
Viele tolle Rezepte auch unter :

http://nicoleswe.bplaced.net/www/index.htm

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Viel Spass und allen einen tollen Tag.